HFC vs Zwickau: Interview mit Torsten Ziegner

Ex-Trainer erwartet ein mitreißendes Match

Autor: Luis Hagen Veröffentlicht: Freitag, 09.10.2020 | 14:54
Torsten Ziegner an der Seitenlinie des HFC.

An der Seitenlinie auch gerne emotional: Torsten Ziegner. ©imago images/Christian Schroedter

Den Hauptteil seines Werdegangs als Fußballprofi hat Torsten Ziegner einst beim FC Carl Zeiss Jena verbracht. Dort hat er über 200 Ligaspiele absolviert. In mehr als die Hälfte davon war er als Jenas Kapitän aktiv. Zweimal ist er dort aufgestiegen. Bis in die 2. Bundesliga gar. Und so ist er nur drei Kilometer entfernt vom „Paradies“ mit seiner Familie sesshaft geworden: In begehrenswerter Lage am Anstieg zu den Kernbergen, weshalb viele seiner Kollegen gerne zu Besuch kommen. Liga-Drei.de hat ihn daheim in bester Stimmung angetroffen und voller Vorfreude auf das Montagabend-Topspiel seiner beiden bisherigen Klubs als Trainer in der 3. Liga.

Torsten Ziegner, nachdem Sie im Sommer 2018 die Seiten gewechselt hatten, mussten Sie gleich mit Ihrem ersten Auftritt am Regiepult des Halleschen FC ausgerechnet in Zwickau antreten. Was haben Ihnen die Matchplaner der 3. Liga damit angetan, Ihnen keine Schonfrist zu gewähren?
Torsten Ziegner: „Das war seltsam für mich, dass es mit Halle nun gleich wieder zurück nach Zwickau gehen musste. Ja, das hat bei mir viel Nervenkitzel und ein mulmiges Gefühl ausgelöst. Mein Abschied aus Zwickau war ja leider drei Wochen vor Saisonende in eine Beurlaubung umgewandelt worden. Nach sechs gemeinsamen Jahren hatte ich mir meinen Abschied dort anders vorgestellt. Beim ersten Wiedersehen hat es prompt eine Niederlage gesetzt. Beim Rückspiel in Halle war dann allerdings bereits Normalität eingekehrt. Zumal wir in Halle gespielt und erfolgreich Revanche genommen haben.“

Blicken wir auf den FSV von heute. Wie steht der Zwickaus Profifußball zwei Jahre nach Torsten Ziegner da?
Ziegner: „Erstens glaube ich, dass Joe Enochs einen hohen Anteil daran hat, dass die 3. Liga im Sommer mit diesem Fotofinish gehalten werden konnte. Das brauchte viel Energie und große Nervenstärke. Beides zeigte Enochs. Und zweitens hat sich der FSV weiterentwickelt. Ist wirtschaftlich und personell jetzt so professionell aufgestellt wie nie zuvor. Gute neue Spieler können es im Verbund mit den bewährten Kräften möglich machen, in dieser nun fünften Saison eine Stabilität zu erzielen, wie wir sie vom FSV Zwickau in der 3. Liga noch nie zuvor erlebt haben. Allen in Zwickau gilt mein großer Respekt.“  

„Unser Faustpfand war eine jederzeit intakte Gemeinschaft“

Nachdem Sie mit dem FSV vor vier Jahren in die 3. Liga aufgestiegen waren, ist schon in der ersten Spielzeit mit 56 Punkten der fünfte Tabellenplatz herausgesprungen. Deshalb rufen wir hier ein Veto hinein: Zwickau war Ihr leiser, doch stetig wachsender Aufbau. Mit Geduld, Spucke und ganz viel Zeit.

Sie durften erst einmal ungestört nacheinander Kaliber wie RB Leipzig und 1. FC Magdeburg den Vortritt lassen. Glauben Sie nicht, dass hier von Ihnen bereits ein Prozess erfolgreich auf den Weg gebracht worden ist, der Spielkultur und Robustheit gefestigt auf das Spielfeld gebracht hat?
Ziegner: „Ja, dieser 5. Platz im ersten Jahr nach dem Sprung in die 3. Liga war ein Hammer damals. Zur Halbzeit der Runde waren wir Vorletzter, in der Rückrunden-Wertung plötzlich Zweiter hinter Ligameister Duisburg. Uns sind in diesem Zeitabschnitt 12 Siege gelungen. Denn unser Faustpfand war, dass wir uns trotz des furchtbar ernüchternden Starts auf unsere starke und somit jederzeit intakte Gemeinschaft verlassen konnten.“

Was meinen Sie damit genau?
Ziegner: „Wir haben damals bewusst realisiert, dass es möglich ist, gleich wieder abzusteigen. Doch wir haben uns darauf eingeschworen, uns mit dem Höchstmaß an Widerstand dagegen zu stemmen. Eine wunderbare Erfahrung. Doch in Zwickau die 2. Bundesliga in Angriff nehmen zu wollen, wäre in jeder Hinsicht utopisch gewesen.“

Weil Zwickau als das Armenhaus der 3. Liga galt?
Ziegner: „Auch die stärkste Gemeinschaft kann in einem Fußball-Marathon wie in dieser 3. Liga, nicht über die gesamte Distanz die notwendige Stabilität aufbringen. Der Spielerkader war in den vergangenen Jahren noch sehr knapp kalkuliert und somit nicht gut genug ausgestattet, um Aufstiegspläne entwickeln zu können. Ja, Zwickau konnte lange Zeit nur bescheidene Angebote machen und so mussten wir einfach hoffen, dass dennoch einige von den guten Spielern, um die wir kämpften, an unser Konzept glaubten.“   

„Haben die Mannschaft bewusst mit Kritik konfrontiert“

Auch nach Ihrem Wechsel zum Halleschen FC brauchte es – genau wie zuvor beim FSV Zwickau – erst einmal eine verkorkste Hinrunde, um dann spektakulär durchzustarten. Am Ende Ihrer ersten Spielzeit in Halle gab es aus allen Ecken viel Lob für tollen Antriebs-Fußball, großartige Siege und Tabellenrang vier am Ende der Spielzeit mit 66 Punkten. In den letzten acht Spielen entstand nur eine Niederlage. Dies war eine unvermeidliche Ansage für die nächste Runde. Hatten Sie Bedenken?Ziegner: „Im Gegenteil. Wir waren sogleich wieder stabil oben dabei. In den ersten 13 Spielen gab es nur zwei Niederlagen. Also haben wir in dieser Zeit gedacht, wir müssen unsere Chance, 2020 in die 2. Bundesliga aufrücken zu können, nicht nur annehmen sondern unbedingt gezielt forcieren. Also haben wir in der Phase, als unsere Truppe richtig gut Fußball gespielt hat und fleißig Punkte sammelte, bewusst nach Fehlern gesucht und die Mannschaft mit Kritik konfrontiert.“

Um Druck zu trainieren und um die Spieler besser zu machen?
Ziegner: „Wir sind vielfältig aktiv geworden, weil wir glaubten, noch mehr Leistungs-Stabilität herausholen zu können. Es kam zu taktischen Veränderungen, zu höheren Trainings-Intensitäten, hier und da auch mal zu einem schärferen Ton.“

Torsten Zieger als Trainer des HFC

Am Ende waren die vielen Niederlagen des HFC zum Wegschauen. Auch für Torsten Ziegner. ©imago images/Jan Huebner

Die darauffolgende Entwicklung Ihrer Mannschaft  geriet indes zu einem sportlichen Fiasko. Wenn Sie jetzt in den Rückspiegel blicken: Was dabei schiefgelaufen?
Ziegner: „Wir wollten mehr herausholen aus unserer Mannschaft und haben dabei vergessen, dass vier unserer Leistungsträger zur selben Zeit eine ganze Wegstrecke ausgefallen sind:  Fünf Monate ohne Björn Jopek, bei dem es eine Operation brauchte, um Knöchel und Sprunggelenk zu reparieren. Drei Monate ohne Patrick Göbel, bei dem die Adduktoren streikten. Zwei Monate ohne Sebastian Mai, meinem Kapitän, den das zuvor gerissene Innenband immer wieder aufs Neue plagte. Und vier Wochen ohne Bentley Baxter Bahn, unseren Marathonläufer, dem jemand ins Sprunggelenk getreten war.“

Warum glauben Sie, war die Abstinenz dieser Kräfte so fundamental?
Ziegner: „Weil punktgenau diese vier Spieler das Gerüst meiner Mannschaft verkörpert haben. Sie sind immer vorangegangen, haben den anderen Orientierung gegeben und unser Spielniveau getragen. Ich hätte wissen müssen, dass es ohne diese Vier zu einer Überforderung in meinem Team kommen kann und somit mit meinen Umgestaltungen noch warten müssen. Statt Fortschritt, kam Rückschritt und daraus wurde ein Sturzflug, weil diese komplette Überforderung bei vielen Spielern zu Überlastungen, zu Stress und Blockaden führte. Ja, wir haben zu schnell zu viel gewollt in Halle.“ 

„Streben nach dem Maximum der Machbarkeit“

In den letzten acht Spielen bis zu Ihrer Abberufung gab es sieben Niederlagen und ein Remis. Darunter gar Einbrüche, wie 1:6 gegen Bayern, 2:5 gegen Würzburg und 3:5 gegen Haching. Man könnte also sagen: Als in Halle die Vision die Realität torpedierte, also zu früh in Richtung 2. Bundesliga abgebogen ist, sind Mannschaft und Trainer in der 3. Liga aus der Kurve geflogen. Doch inwieweit fühlen Sie sich auch ein Stückweit verführt von den aufgekommenen Erwartungen?
Ziegner: „Grundsätzlich ist auch das Umfeld mit vielen Menschen, die dem HFC emotional, in Funktion oder geschäftlich nahestehen, von einer Mitverantwortung an einem solchen Streben nach dem Maximum der Machbarkeit, keineswegs zu befreien: Als wir vor einem Jahr um diese Zeit den vielleicht attraktivsten Fußball der Liga spielten und in 13 Spielen nur zwei Niederlagen einstecken mussten, haben sich Sehnsüchte, Erwartungen und Hoffnungen massiv ausgeweitet. Plötzlich befanden wir uns dann in diesem Labyrinth voller Abwegen, aus dem ich die Mannschaft nicht mehr herausführen konnte.“

Leiden sind Lehren, sagt der Volksmund. Werden Sie sich künftig schützen, sobald mal wieder die Gefahr besteht, dass der Blick in die Zukunft zu früh und so dem Ist-Zustand in die Quere kommt?
Ziegner: „Ja, dieser Trugschluss ist eine extrem nachhaltige Erfahrung für meinen weiteren Weg als Fußball-Lehrer und Coach. Diese Fehleinschätzung passiert mir nie wieder. Wenn Visionen wieder einmal die Aktualität torpedieren könnten, grätsche ich beim nächsten Mal sofort dazwischen.“

Als Sie Ihre Spieler zu früh auf die 2. Bundesliga vorbereitet haben, wurde die 3. Liga plötzlich zur Buckelpiste. Was erwarten Sie diesmal von Halle gegen Zwickau: Qualitativ mehr 3. Liga oder mehr 2. Bundesliga?
Ziegner: „Auf alle Fälle freue ich mich auf diesen Montagabend. Da setze ich mich schön auf mein Sofa und schaue mir jede Aktion ganz genau an. Mit gleich vielen Sympathien für beide Klubs. Mit den meisten Spielern, die dabei sein werden, habe ich gute Zeiten erlebt. Habe sie geholt, so manchen gar entdeckt und vor allem trainiert, um fit zu sein für ein so aufgeheiztes Traditions-Derby wie dieses. Das wird ein mitreißendes Match mit jede Menge Tempo, mit starken Emotionen und einem völlig offenen Endergebnis.“

Torsten Ziegner, herzlichen Dank für das Gespräch.

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